Biografie

Immer in Bewegung ist er, mit seinem roten Roller oder der Berliner S-Bahn oder im Tourbus oder zu Fuß, aber vor allem: im Kopf. Man kann Philipp Volksmund beim Denken zuschauen. Wie die Worte, die er gerade aufgeschnappt hat, zwischen seinen Schädelplatten springen, wie sie groß und dann klein werden, sich neu zusammensetzen, wieder rausfliegen, durch andere Begriffe ersetzt werden. Und sobald sich die Gedanken formiert haben, müssen sie raus. Ausgesprochen oder aufgeschrieben werden. Die Notizen auf seinem Handy wachsen und wachsen. Als hätte Philipp einen kleinen Schlüssel am Rücken, den eine unbekannte Kraft jeden Morgen aufzieht und dann los. Tausend Projekte. Hier ein Konzert, dort eine Reise. Heute Songs schreiben, morgen Videos aufnehmen. Vom Studio ins Stadion in die Kneipe und zurück. Schaffe, schaffe, Textle schreibe.

Im Ländle wurde er groß, in Stuttgart, als Kind zweier Gutmenschen, als solche werden Menschen wie Philipps Eltern heute gerne belächelt. Weil belächeln einfacher als helfen ist. Die Schwächeren unterstützen, Toleranz leben, sich selbst nicht so wichtig nehmen, Philipp hat sich das gemerkt. Er denkt im Kollektiv. Fußballer war er als Kind, Spielmacher, so talentiert, dass der VfB Stuttgart ihn aufnahm. Musiker wurde Philipp, weil das noch mehr Freude bereitete. Erst mit den Kängurus, so hieß seine erste Band im Alter von 12 Jahren, später mit Freistil. Von Beginn an seiner Seite: der jüngere Bruder Simon. Hartmut Engler entdeckte Freistil, die Bravo berichtete und beim Vorentscheid zum Eurovision Songcontest hörte plötzlich ganz Deutschland zu. Das Kinderzimmerprojekt hatte es auf die große Bühne geschafft.

Wie er seine Musik selbst bezeichnen würde? Ehrlich deutsche Popmusik. Rio Reiser, Max Herre, Selig, Grönemeyer heißen Philipp Volksmunds Vorbilder, die ein Spektrum von Genres bieten: Von Punk über Rock bis Hip Hop, verbunden durch einen Nenner: Musik geradeaus. Ehrlich deutsche Popmusik eben. Zusammen mit ihren besten Freunden Marc und Ralph gründeten Philipp und Simon später die Band Die Fraktion. Dem VfB Stuttgart schrieben sie den Stadionsong, Mario Gomez eine Hommage und der deutschen Nationalmannschaft eine neue Hymne: „Schwarz Rot Gold“. 2006, im Jahr des Sommermärchens, zog Philipp von Stuttgart nach Berlin. Arbeitete beim Radio, in der Werbung, in Agenturen. Schrieb und schrieb und schrieb. Für und mit Alexander Klaws, Thomas Godoj, Staubkind, Andreas Bourani und viele mehr. Und für sich. Jeden Tag.

Vor einem Jahr, die Texte auf seinem Handy hatten sich inzwischen gestapelt, wurde der Drang zu groß. Zu viel gesehen, zu viel gehört, zu viel erlebt. Zu persönlich, dass seine Gedanken im Mund anderer Künstler zur Welt kommen. Er ist doch der Volksmund. Gastauftritte reichen nicht mehr, die Bühnensehnsucht ist zurück. Das nächste Projekt ist sein intimstes: „Platz für Neues“ – Philipps erstes Soloalbum. Rastlos kann er wirken. Wenn er denkt, flippern seine Augen nervös. Er musste auch ein bisschen aufräumen, bevor diese Lieder das werden konnten, was sie sind. Philipps Flammenwerferherz ist neu justiert.

Text von Lukas Hermsmeier